100 Jahre mobile Einsatzeinheitb20220706 3

„Wir haben große Pläne.“ Simon Langenbach lässt gar nicht erst Zweifel daran aufkommen, dass das Jubiläum des Posaunenchors an der Peterskirche ohne Pauken, aber mit vielen Trompeten und noch mehr Musik gefeiert wird.  Wenn auch zwei Jahre später als geplant.

„Wir haben gleich um zwei Jahre verschoben“, sagt Langenbach, der Leiter des Posaunenchors, mit Blick auf die beginnende Pandemie 2020. Nun schöpft der extra gegründete Ausschuss aus dem Vollen. Und hat viel Arbeit investiert, um Aktiven wie Besucher*innen eine gebührende Geburtstagsfete zu bieten – angefangen mit einer Chronik. Eckhard Malcherek hat dafür tief in Dokumenten und Fotos gegraben. Eins der Fotos zeigt den Beginn des Posaunenchors 1920, gegründet von Wilhelm Schäfer, Hausvater des Pilgerhauses, dem die Musiker damals angeschlossen waren. Einer der berühmtesten Zöglinge des Posaunenchors ist der 2019 verstorbene Komponist Werner Andreas Anders, der mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu dem Ensemble stößt. Damals ist er noch ein Kind. Noch heute legt Simon Langenbach großen Wert auf die Nachwuchsarbeit. „Man kann schon im Grundschulalter anfangen“, sagt er. So wird Langenbach auch nach den Sommerferien wieder in Schulen unterwegs sein, um neue Mitglieder zu werben.

Fokus Nachwuchsarbeit
Eine, die seit Kindheitstagen dabei ist, ist Trompeterin Annika Förster. 2011 hat sie mit dem Musizieren im Posaunenchor begonnen. Da war sie neun Jahre alt. Ihre Mutter war damals schon im Ensemble, es ging also darum, etwas gemeinsam zu machen, erzählt Förster, sagt: „Musik ist ein großer Teil meines Lebens.“ Trompete ist nicht ihre einzige Leidenschaft. Keine Seltenheit laut Langenbach: „Viele sind nicht nur auf einem Gebiet unterwegs.“ Einige haben bei ihm neben Kleingruppenunterricht auf einem Blasinstrument auch Orgelunterricht. Oder singen, wie Förster es macht, im Chor. Und wenn man schon bei der Trompete ist, klärt sich auch schnell: Der Posaunenchor besteht eben nicht nur aus Posaunen. Es sind alle Blechbläser versammelt. Mal mehr, mal weniger.

Krisen und Neuerung
Als Langenbach 2003 als Kantor an die Peterskirche kommt, sind es weniger. Sowohl Kantorei als auch Posaunenchor sind nur noch „ein kleines Häufchen“ wie er sagt. Es ist eine der Krisen in der Geschichte des Ensembles. Während des Zweiten Weltkriegs liegt es gänzlich brach, nach dem Neubeginn folgen in den 1950er- und 1960er-Jahren schwierige Zeiten, als ein Kantor den bisherigen Leiter ablöst. Einige Musiker verlassen daraufhin wegen Unstimmigkeiten den Posaunenchor und gründen in den anderen Gemeinden neue Ensembles. Aber auch das Mitgliedsalter setzt dem Posaunenchor zu: Gründungsmitglieder versterben. Heinrich Schuch wird 1994 als letztes Gründungsmitglied zu Grabe getragen.Doch es gibt auch die schönen Begebenheiten. Schon immer mit der Peterskirche verbunden, wird der Posaunenchor in den 1960er-Jahren fester Bestandteil der Gemeinde. 1970 wird die erste Frau aufgenommen. Heute ist es ein ausgewogenes Verhältnis, sagt Malcherek. Und für Pfarrerin Ute Haizmann ist der Posaunenchor heute fester Bestandteil der Gemeindearbeit. Schwer vorzustellen, dass Johannes Kuhlo wusste, was er Ende der 19. Jahrhunderts initiiert hat.

Raus aus der Kirche
Kuhlo hat damals die Posaunenb20220706 4chöre aus der Taufe gehoben, hat Noten organisiert und sie für Blechbläser arrangiert. Was bis dahin Orgel und Vokalchören vorbehalten war, wurde nun auch Blechbläsern zugänglich: kirchliche Musik spielen. Heute, so sagt Langenbach, hat jede evangelische Gemeinde einen Posaunenchor. Die spielen heute wie damals nicht nur in der Kirche. Der Posaunenchor an der Peterskirche ist bei Prozessionen dabei, spielt in – und während Corona vor – Pflegeheimen und ist auch bei der Weihnachtsfeier für Obdachlose fester Programmbestandteil. „Mobile Einsatzeinheit“ nennt es Langenbach. Zum Jubiläum wird diese Einheit am Samstagmorgen am Marktplatz zu finden sein.

Jubiläumsprogramm
Anlässlich einer Matinee soll vom Balkon des Alten Rathauses die Musik erklingen, genauso aus geöffneten Fenstern rund um den Marktplatz, aber auch von unterhalb der Laurentiuskirche. Hier werden sich Bläser*innen aus den Posaunenchören der gesamten Region versammeln und gemeinsam ein Ad-hoc-Konzert spielen, die Noten dazu stammen von Simon Langenbach. Erwartet werden dazu sowohl der Besuch von Landesobmann Christian Kühlewein-Roloff, der sich den Musikern anschließt, als auch von Landesposaunenwart Armin Schaefer, der die Leitung übernimmt. Am Abend wartet dann die beliebte Bläserserenade in der Peterskirche auf die Gäste. (cs)

Quelle: Weinheimer Woche Nr. 27 vom 06.07.2022